Statement zur Absage der Veranstaltung „The 1948 War and Jihad“ mit Benny Morris

Die Ausladung des Historikers Benny Morris, der am 05. Dezember 2024 im Rahmen der Ringvorlesung „Traditionen und Gegenwart des Antisemitismus“ einen Vortrag am Institut für Praktische Theologie halten sollte, ist ein Skandal. Benny Morris zählt zu den bedeutendsten israelischen Historikern. Seit über 36 Jahren forscht er zum israelisch-palästinensischen Konflikt und hat zahlreiche Standardwerke zu diesem Thema veröffentlicht. Als einer der zentralen Vertreter der „Neuen Historiker“ gehörte er zu einer Generation israelischer Wissenschaftler, die sich nach der Öffnung der israelischen Archive kritisch mit der Staatsgründung auseinandergesetzt und ein differenziertes Bild der Entstehung des Konflikts gezeichnet haben. Im Zuge der zweiten Intifada revidierte Morris seine Haltung zu möglichen Friedensverhandlungen. Seither steht er zwischen den Stühlen und scheut sich auch nicht, renommierte Kollegen zu kritisieren. Dass er nun von der Universität Leipzig zur Persona non grata erklärt wird, ist nicht hinnehmbar. Statt Raum für wissenschaftlichen Austausch zu ermöglichen, wird der Widerspruch eingeebnet.

Die Absage wird mit „kontroversen Aussagen“ von Morris, Aufforderungen „verschiedener Gruppen” sowie „Sicherheitsbedenken“ begründet. Morris hat sich in der Vergangenheit als Public Intellectual regelmäßig zum politischen Geschehen in Israel geäußert, unter anderem in der linksliberalen Tageszeitung Haaretz. Doch welche seiner Aussagen konkret zur Ausladung geführt haben sollen, wird im offiziellen Statement nicht benannt. Stattdessen wird in bemerkenswerter Unschärfe darauf verwiesen, dass seine „zuletzt“ getätigten Äußerungen „als verletzend und sogar rassistisch gelesen werden“ könnten. In einem Interview mit Haaretz vom 1. Dezember 2024 erklärt Morris, dass die besagten Äußerungen, auf die sich die Absage vermutlich bezieht und in denen er einen Sicherheitszaun oder Vergleichbares fordert, bereits vor zwei Jahrzehnten in einem Interview getätigt wurden. 

Dies geschah zu einer Zeit, als fast täglich israelische Zivilisten von Selbstmordattentätern massakriert wurden. Morris hat sich bereits kurz nach dem Interview im Jahr 2004 für seine Wortwahl entschuldigt, weist aber zu Recht darauf hin, dass der inzwischen errichtete Sicherheitszaun zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten die überwältigende Mehrheit geplanter Anschläge verhindert hat. Der 7. Oktober 2023 erinnert uns an die Absichten der Eindringlinge und an das untragbare Risiko, das eine offene Grenze für den jüdischen Staat bedeutet. Durch die Ausladung wird jedoch eine solche Kontextualisierung und Diskussion von vornherein ausgeschlossen, da nicht die Positionen von Morris selbst, sondern nur eine bestimmte Lesart als gültig angesehen wird.

Gleichzeitig ist relativ klar, welche Gruppen hinter der Forderung nach einer Absage stehen. Seit dem 7. Oktober 2023 treten Gruppen wie „Students for Palestine“ verstärkt mit judenfeindlichen Parolen auf dem Campus und rund um die Universität in Erscheinung. Diese Gruppen hatten bereits am 15. November 2024 in einem Instagram-Post die Ausladung von Benny Morris gefordert. In letzter Zeit gelingt es ihnen immer häufiger, den Meinungsaustausch an der Universität autoritär zu beeinflussen. So wurde kürzlich der studentischen Gruppe „Progressive Initiativ Wochen" der Status einer studentischen AG und damit der Zugang zu universitärer Infrastruktur und Förderung entzogen. Die Gruppe wollte zu Semesterbeginn antisemitismuskritische Veranstaltungen organisieren, die zuvor komplett aus den offiziell vom StuRa geförderten „Kritischen Einführungswochen“ gestrichen worden waren. An die Stelle der Auseinandersetzung mit Antisemitismus trat die Solidarisierung mit der „palästinensischen Sache“, womit in der Regel die Vernichtungsdrohung gegen Israel gemeint ist. Dass mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn es um Israel geht, zeigte auch ein Vortrag von Cyrus Schayegh am 5. Dezember 2024 an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie: Während Benny Morris wegen möglicher „verletzender Äußerungen“ die Bühne entzogen wird, wird ein prominenter BDS-Unterstützer eingeladen, um ausgerechnet über den 7. Oktober zu sprechen.

Die Absage durch die Universität ist als Einknicken vor diesen autoritären und antisemitischen Gruppierungen zu werten.

Dass die Universität Leipzig gemeinsam mit der Polizei, die auch bei früheren Veranstaltungen der Ringvorlesung stets anwesend war, nicht mehr in der Lage sein soll, für die Sicherheit eines renommierten israelischen Wissenschaftlers zu sorgen, ist entweder unglaubwürdig oder aber extrem besorgniserregend. Zudem wurden an der Universität bereits bei früheren Veranstaltungen externe Sicherheitsdienste eingesetzt, so dass eine gewisse Erfahrung vorhanden sein dürfte.

Die Entscheidung zur Absage des Vortrags mit Benny Morris fällt in eine Zeit, in der Antisemitismus immer offener und aggressiver auftritt – insbesondere an Universitäten. Jüdische Studierende sehen sich zunehmend Bedrohungen und Belästigungen ausgesetzt, weshalb sie beispielsweise den Campus aufgrund von Pro-Hamas Protesten meiden oder ihre Zugehörigkeit vor ihren Kommilitonen verheimlichen. Antisemitische Parolen wie „Yallah Yallah Intifada“ sind immer häufiger zu hören und entsprechende Graffiti und Aufkleber gehören mittlerweile zum Universitätsalltag. Wissenschaftler, die sich pro-israelisch äußern, werden zunehmend zur Zielscheibe politischer Einschüchterungsversuche und Denunziationskampagnen. Die Veranstaltungsreihe der Theologischen Fakultät setzte sich kritisch mit diesen Entwicklungen auseinander und versuchte in verschiedenen Vorträgen, sich dem Phänomen des Antisemitismus aus unterschiedlichen Perspektiven zu nähern. Dass sich die Universität nun von studentischen Gruppen diktieren lässt, wer zu diesem Thema sprechen darf und wer nicht, ist ein skandalöser Vorgang.

Wir nehmen dies nicht hin und fordern eine Solidarisierung mit Benny Morris.

Statement als PDF (Deutsch)
Statement als PDF (Englisch)

Unterzeichnet von:

Bündnis Israelsolidarischer Gruppen und Personen in Leipzig

TaMaR Germany e.V.

Gruppe Minus

Hochschulen Leipzig gegen Antisemititmus

Hentrich & Hentrich Verlag

MASARYK

Roter Salon im Conne Island

Jüdische Allianz Mitteldeutschland

Junges Forum (JuFo) der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Leipzig

Antideutsche Kommunisten Leipzig

Power drift e.V. 

Quellen:
https://www.theol.uni-leipzig.de/institut-fuer-praktische-theologie/veranstaltungsdetail/termin/the-1948-war-and-jihad
https://www.haaretz.com/world-news/europe/2024-12-01/ty-article/.premium/german-university-cancels-lecture-by-leading-israeli-historian-following-student-protests/00000193-81ac-de89-abff-99ff0e1c0000
https://www.haaretz.com/2004-01-08/ty-article/survival-of-the-fittest-cont/0000017f-e86d-da9b-a1ff-ec6fb5000000
https://www.haaretz.com/2004-01-22/ty-article/right-of-reply-i-do-not-support-expulsion/0000017f-e3d3-d75c-a7ff-ffdf6cba0000
https://bigleipzig.wordpress.com/2024/11/26/nie-wieder-stura-nie-wieder-judenhass-gegen-die-kollaboration-mit-islamistischen-terrororganisationen
https://kew-leipzig.de/event/introduction-to-the-palestinian-cause/
https://www.sozphil.uni-leipzig.de/global-and-european-studies-institute/veranstaltungsdetail/termin/israel-staat-und-gesellschaft-ein-jahr-nach-dem-7-oktober; https://canarymission.org/professor/Cyrus_Schayegh
https://nachrichten.idw-online.de/2024/11/15/eroeffnung-des-internationalen-graduiertenkollegs-belongings-zur-juedischen-materiellen-kultur

Das (aller)letzte Gefecht

Gemeinsam mit dem Roten Salon laden wir zu Gespräch und Buchvorstellung mit Jan Gerber ein.

20. Juni 2023
Das (aller)letzte Gefecht
Die Linke im (neuen) Kalten Krieg
19:00, Pöge-Haus Leipzig

Documenta Revisited

Gemeinsam mit dem Roten Salon im Conne Island möchten wir noch einmal die Geschehnisse rund um die Document15 reflektieren und diskutieren. Dazu veranstalten wir ein Streitgespräch zwischen Jakob Hayner und Wolfgang Ullrich und ein moderiertes Gespräch mit Bazon Brock.

21. Februar 2023
Dabei sein ist alles
Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie
Gespräch mit Jakob Hayner und Wolfgang Ullrich.

09. März 2023
Fluch der guten Tat
Wie die Kunst die Kultur erledigt
Gespräch mit Bazon Brock

Musik & Kritik

Der Frage nach Sinn und Bedeutung von Musik liegt eine besondere Zuspitzung inne: die Musik als Abstrakteste unter den Künsten, entzieht sich zunächst dem Imperativ, welcher heute deutlicher denn je lautet, Kunst solle Ausdruck und Vehikel des politischen und sozialen Engagements sein. Um so vehementer wird versucht, ihre Autonomie durch konzeptionelles Überladen und politisches Verklären zu hintertreiben. Im Zuge der Ästhetisierung des Alltags verkommt Musik in der „Gesellschaft der Singularitäten“ (Reckwitz) zum bloßen Anhängsel der um Anerkennung konkurrierenden Identitäten. Durch diesen Authentizitätsfimmel, der sich besonders an die Musik zu richten scheint, verliert sie jene Autonomie, die sie nie ganz erreichte.

Dieser „relativen Autonomie“ (Bürger) die Treue haltend, sollen in der Veranstaltungsreihe „Musik und Kritik“ Fragen nach musikalischer Ästhetik, den inneren Zusammenhängen und Gesetzen der musikalischen Werke, und ihrer Stellung zur gesellschaftlichen Herrschaft, die sie reflektieren, behandelt werden.

Die Veranstaltungsreihe "Musik und Kritik" findet von Sommer bis Herbst 2021 in Leipzig in den Räumen des Pracht e.V. statt. Alle Veranstaltungen werden via Big Blue Button ins Internet gestreamt, den Link veröffentlichen wir hier 15 Minuten vor Beginn der Veranstaltung. Die Plätze für Publikum vor Ort sind leider schon vollständig reserviert, wenn ihr auf die Warteliste möchtet schreibt uns gern via:
gruppeminus@gmail.com

11.06.2021
Politik und Ästhetik in Luigi Nonos experimentellem Musiktheater
Vortrag: Irene Lehmann

25.06.2021
Mit den Ohren gedacht
Musikalische Erfahrung nach Adorno
Vortrag: Iris Dankemeyer

Die Reihe wurde in Kooperation und gemeinsamen Austausch mit "Kunst, Spektakel & Revolution" geplant. Sie wird gefördert durch den StuRa der HTWK und die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. Das Plakat zur Veranstaltungsreihe kann hier heruntergeladen und über unsere Email-Adresse bezogen werden.

Plakat-Design: Schroeter und Berger.